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24.11.2015
Länder- und Branchenbewertungen

Ägypten: Langsame Erholung, aber strukturelle Probleme

Ägypten: Langsame Erholung, aber strukturelle Probleme
  • Größere politische Stabilität, Wirtschaftsreformen, Investitionen aus dem Ausland: dies sind die unterstützenden Faktoren für die wirtschaftliche Erholung
  • Coface erwartet 4,4 Prozent Wachstum 2015/2016
  • Weiter abhängig von Finanzhilfen und Direktinvestitionen aus Golfstaaten
  • Leistungsbilanz 2015 im Minus, Staatsdefizit bleibt hoch
  • Leichte Belebung in Tourismus- und Automobilbranche, Sicherheitslage und fragile Erholung der Wirtschaft bleiben Herausforderungen

 

Besserer Ausblick für Wirtschaft

Nachdem die Wirtschaft Ägyptens von den gesellschaftlichen Unruhen und der Gewalt 2011 hart getroffen worden war, ist sie nun auf dem Weg der Erholung, dank verbesserter politischer Stabilität, wirtschaftlicher Reformen und Investitionen aus dem Ausland. Die Behörden haben kürzlich ein reales Wachstum von 4,1 Prozent für das von Juli bis Juni reichende Haushaltsjahr 2014/2015 vermeldet. Gegenüber den 2,2 Prozent 2013/2014, was schon leicht höher als die durchschnittlich 2 Prozent von 2011 bis 2013 war, ist das fast eine Verdopplung. Die jüngsten Ergebnisse wurden von der verarbeitenden Industrie und dem nach dem Einbruch wegen der Unruhen wieder anziehenden Tourismus getragen. Allerdings wirkt sich auch ein “günstiger” Basiseffekt aus. Auf der Nachfrageseite war der private Konsum der größte Treiber. Coface erwartet, dass sich das Wachstum 2015/2016 auf 4,4 Prozent beschleunigen wird.

 

Erholung weiter fragil, beeinflusst von „Zwillingsdefizit“ und Sicherheitslage

Die staatliche und private Nachfrage dürfte weiter stiegen. Die Dynamik wird allerdings durch die hohe Arbeitslosigkeit und Reformen gebremst, die darauf zielen, das Haushaltsdefizit zu reduzieren. Trotz Verbesserungen bei den Finanzen bleibt das Haushaltsdefizit deutlich über 10 Prozent des BIP. Zudem leidet Ägypten unter einem großen Außenhandelsdefizit, einer schwachen Infrastruktur, mikroökonomischen Anpassungsproblemen und geringer Wettbewerbsfähigkeit. Im Haushaltsjahr 2014/2015 wuchs das Leistungsbilanzdefizit von zuvor 2,7 Mrd. auf 12,2 Mrd. US-Dollar. Ursächlich dafür war vor allem das gestiegene Handelsbilanzdefizit. Falls die Ölpreise niedrig bleiben, könnte das Auswirkungen auf die Direktinvestitionen, Finanzhilfen und Überweisungen aus den Golfstaaten haben, die zu den wichtigsten Wachstumsstützen für die ägyptische Wirtschaft zählen. Dies wiederum würde die Mittel für die dringend nötigen Infrastrukturinvestitionen begrenzen.

Die Sicherheitsrisiken lasten auf dem Geschäftsumfeld und behindern die Erholung der Tourismusbranche, die rund 20 Prozent der Deviseneinnahmen des Landes erbringt. Die angespannte Sicherheitslage sowie die politische Unsicherheit führten zu starken Kapitalabflüssen. Daher hat sich die Reichweite der Währungsreserven zur Deckung der Importe von 7,6 Monate auf 2,4 Monate verringert. Zudem leidet der ägyptische Finanzsektor unter einer Knappheit an Devisen. Das trifft besonders die kleinen und mittleren Betriebe im verarbeitenden Gewerbe, die nicht über die Dollars verfügen, um Maschinen oder Rohmaterialien zu importieren.

indicators

 

(1) % of GDP, the current account balance excluding grants reached -5 % of GDP

Source: Official statistics, IMF, BMI, Coface

 

“Die Wirtschaft in Ägypten wird durch die stabilere politische Lage und die Verpflichtung der Regierung zu Reformen gestützt“,sagt Seltem Iyigun, Coface-Economist für den Nahen Osten und Nordafrika. „Wichtig für das Wachstum ist der internationale finanzielle Beitrag. Künftig werden auch Unternehmensinvestitionen verstärkt zur Erholung beitragen. Zusammen genommen helfen die wirtschaftliche Erholung und politische Stabilität, um die finanziellen Ungleichgewichte anzugehen. Für nachhaltiges Wachstum müssen allerdings die Wirtschaftsreformen vorangetrieben und das politische System weiter stabilisiert werden. Trotz Verbesserungen gibt es weiter strukturelle Schwächen in der Wirtschaft, die vor allem den privaten Sektor behindern. So bleiben Herausforderungen bestehen, unter anderem die anfälligen Außenwirtschaftssalden, die geringe Wettbewerbsfähigkeit und die Sicherheitsrisiken.“

 

Branchen erholen sich langsam

  • Tourismus: Nachdem die Branche unter den Unruhen und den politischen Wirrungen im Zusammenhang mit der Revolution 2011 gelitten hat, erholt sie sich nun allmählich. Nicht zuletzt aufgrund der verbesserten politischen Stabilität. Im ersten Halbjahr 2015 kamen mit 4,8 Millionen 8,2 Prozent mehr Touristen ins Land als im Vorjahreszeitraum. Die Regierung erwartet für das ganze Jahr zehn Millionen Gäste und Einnahmen von 7,5 bis 8 Mrd. US-Dollar. Die Zahl der Hotels und anderen Unterkünfte soll mit insgesamt 1140 leicht über das Niveau von 2012 steigen. Trotz all der Verbesserungen wird es noch dauern, bis Ägypten wieder das Vorkrisenniveau erreicht hat, vor allem wegen der Sicherheitsfragen.
  • Automobil: Die Automobilbranche erholt sich ebenfalls von der mit dem Arabischen Frühling verbundenen geringeren Nachfrage. Der Autoabsatz stieg 2014 deutlich um 55 Prozent gegenüber dem Vorjahr an. Der Trend sollte anhalten. Allerdings beschäftigen sich einige Unternehmen damit, das Land zu verlassen. Gründe dafür sind die Dollarknappheit, die unklare Industriestrategie und der Aufschwung der Automobilbranche in den Nachbarländern.
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