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23.12.2016
Länder- und Branchenbewertungen

Schocks schütteln türkische Wirtschaft

Nach einer Serie von Schocks 2015 und 2016 endet die Tulpenzeit in der Türkei
  • Coface erwartet Wirtschaftswachstum für die Türkei von 2,5% 2016 und 2,7% 2017
  • Staatsausgaben wohl ein Haupttreiber für Wachstum in 2017
  • Währungsrisiken und anhaltendes Leistungsbilanzdefizit größte Probleme
  • Schwache Lira bremst privaten Konsum
  • Einzelhandel: Risiken beschleunigen sich hauptsächlich durch lahmende Inlandsnachfrage, steigende Kosten und bremsenden Effekt der schwächeren Währung auf das Geschäftsumfeld
  • Automobilbranche: Weiter starke Exporte federn für Hersteller und Zulieferer die niedrigeren Gewinne teilweise ab

Risikosituation 2016 verschärft

Zunehmende politische Unsicherheit nach zwei Parlamentswahlen 2015, weniger globale Liquidität durch die Zinsanhebung der US-Notenbank und die geschwächte Türkische Lira tragen dazu bei, dass die türkische Wirtschaft nur mehr gebremst wächst. Die Risiken nahmen 2016 weiter zu: regionale Spannungen, größere Sicherheitsprobleme im Land, der gescheiterte Putschversuch im Juli und die Herabstufung des Ratings für die Staatsbonität. Aufgrund dieser internen Schocks und internationalen Einflüsse in Verbindung mit der schwächeren Zuversicht hat sich das Wachstum 2016 weiter verlangsamt.

Die Staatsausgaben dürften 2017 einer der Haupttreiber für die Wirtschaft sein. Die geringe öffentliche Verschuldung mit nur 32,9 Prozent zum BIP, wesentlich durch die ursprüngliche Annäherung an die EU getrieben, erlaubt es, dass die Regierung die Geldpolitik einsetzt, um wirtschaftliche Einbrüche abzumildern. Um der nachlassenden Stimmung zu begegnen, hat die Regierung ein breites Investitionsprogramm angekündigt. Es soll durch projektbezogene Impulse die Investitionen anschieben. Die Bereitschaft zu Reformen ist ein weiteres Element, um nachhaltiges Wachstum zu erreichen. Das Reformprogramm umfasst vier Säulen: Anreize für Investitionen, Forschung und Entwicklung, Attraktivität für internationale Arbeitskräfte und Einsparungen. Zudem wurden Maßnahmen eingeleitet, um die Inlandsnachfrage anzuschieben.

Hauptprobleme für 2017 bleiben: Währungsrisiken und Leistungsbilanzdefizit

Die Gesamt-Auslandsschulden, die der private Sektor innerhalb eines Jahres zurückzahlen muss, betragen 91 Mrd. US-Dollar. Ein Ausgleich des Leistungsbilanzdefizits ist schwierig, solange steigende Risiken wahrgenommen werden. Zugleich dämpft die schwache Lira die privaten Ausgaben und damit den wichtigsten Wachstumstreiber der türkischen Wirtschaft. Die negative Entwicklung wird verstärkt durch weitere Faktoren wie die Spannungen an der Grenze zu Syrien, steigende Kreditzinsen und anziehende Inflation. Auch das veranlasst Verbraucher, Ausgaben zu verschieben.

Entscheidend für die weitere Entwicklung werden die Kapitalzuflüsse aus dem Ausland sein. Diese sanken von Januar bis September 2016 im Vergleich zum Vorjahreszeitraum um 12 Prozent auf 26,9 Mrd. US-Dollar. Dieser Rückgang trug mit zur Abwertung der Lira um 16 Prozent gegenüber dem Euro-Dollar-Währungskorb bei. 2009, als die türkische Wirtschaft in der globalen Krise um 4,8 Prozent nachgab, waren die ausländischen Kapitalzuflüsse in die Türkei um 95 Prozent eingebrochen.

„Obwohl die aktuelle Situation weit von diesem Szenario entfernt ist, wird der Kapitalzufluss 2017 entscheidend für die wirtschaftliche Entwicklung sein. Die Türkei ist weiter attraktiv für ausländische Fonds, inwieweit das anhält, hängt aber auch wesentlich vom Geschäftsumfeld und den Entwicklungen an den globalen Finanzmärkten ab“,erklärt Seltem Iyigün, Coface-Economist für die MENA-Region.

Einzelhandel, Tourismus und Automobil wegen politischer Unruhen und Terroranschlägen in Schwierigkeiten

Der Einzelhandel ist ein wichtiger Faktor für das Wirtschaftswachstum in der Türkei. Die Branche blickt auf ein Jahrzehnt mit soliden Zuwächsen zurück und profitierte bei fast 80 Millionen Einwohnern von steigenden Pro-Kopf-Einkommen. Langfristig bietet die Branche weiter gute Chancen, kurzfristig hat sie aber einige große Probleme zu bewältigen. Zunehmende politische Konflikte, Terroranschläge, die schwache Landeswährung und steigende Inflation belasten erkennbar den Einzelhandel. Die gebremste Inlandsnachfrage dürfte 2017 anhalten, auch wegen höherer Kreditzinsen und der insgesamt schwächeren Zuversicht der Verbraucher. Auch vom Tourismus, der wegen der Sicherheitsproblematik und des angespannten Verhältnisses zu einigen Nachbarländern eingebrochen ist, sind keine Impulse für eine Besserung zu erwarten.

Die Automobilbranche verzeichnet auf dem Inlandsmarkt eine leichte Verschlechterung, die externen Bedingungen sind aber weiter gut. In den ersten zehn Monaten des Jahres 2016 ging der Gesamtabsatz im Vergleich zum Vorjahreszeitraum um drei Prozent zurück. Vor allem die Verkäufe von Fahrzeugen an Unternehmen litten unter der allgemein eingebremsten Wirtschaftsaktivität im Land. Sie gingen um 12,3 Prozent zurück. Die größten Herausforderungen 2017 dürften für die Autobranche neue Regulierungen und die Währungsschwankungen werden. Die jüngsten Abwertungen der Lira könnten zu weiteren Kostensteigerungen führen. Denn die Importquote des Automobilsektors betrug von Januar bis Oktober des vergangenen Jahres 76 Prozent. Auf der regulatorischen Seite könnte sich die im November eingeführte höhere Verkaufsbesteuerung von hochpreisigen und großen Autos dämpfend auf die Nachfrage auswirken.

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